Die Rolle des Kräfteverhältnisses für die Entstehung von Konflikten

Das Entstehen ressourcenvernichtender Verteilungskonflikte gibt oftmals Rätsel auf: Während beide Parteien bei einer friedlichen Lösung mit einer beträchtlichen Friedensdividende rechnen können, kann ein Scheitern der Verhandlungen hohe Kosten nach sich ziehen. Warum ein beiderseitiges Einverständnis über eine Aufteilung der Friedensdividende dennoch oftmals nicht erreicht wird, untersucht – neben anderen sozialwissenschaftlichen Zweigen – die ökonomische Konfliktforschung. Eine wesentliche Frage dabei betrifft das Kräfteverhältnis zwischen den Parteien: Wird ein Konflikt wahrscheinlicher, wenn das Kräfteverhältnis der beteiligten Parteien eher gleich oder eher ungleich verteilt ist? Florian Morath, Professor für Wirtschaftspolitik an der Goethe-Universität Frankfurt, hat diese Frage zusammen mit Luisa Herbst und Kai Konrad (beide Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen, München) in einer aktuellen Publikation* experimentell untersucht.

Das Experiment der Autoren setzt an zwei alternativen Verhandlungsmechanismen im Vorfeld eines Konfliktes an. Im ersten erhalten die beiden Parteien ein exogenes Angebot über die Aufteilung der Ressourcen, das sie entweder annehmen oder ablehnen können. Wenn sie diese Friedenslösung nicht akzeptieren, kommt es zum Konflikt. Das exogene Schlichtungsangebot entspricht dabei der kooperativen Nash-Verhandlungslösung und berücksichtigt somit das Kräfteverhältnis der Parteien. Das alternative Arrangement ist ein „Nash demand game“, in dem beide Parteien gleichzeitig entscheiden, welchen Anteil an den Ressourcen sie für sich einfordern. Sind diese Forderungen inkompatibel, kommt es zu einem Konflikt. In beiden Mechanismen führt ein Konflikt zu einer Pareto-Verschlechterung im Vergleich zu einer friedlichen Lösung. Wesentliches Merkmal des experimentellen Designs ist die Variation der relativen Kampfstärke der Parteien für den Fall eines Konfliktes, die ihnen während der Verhandlungen bekannt ist. Weitere Variationen des Designs untersuchen die Effektivität unterschiedlicher Schlichtungsvorschläge sowie die Rolle der Koordinationsproblematik im Falle endogener Forderungen.

Das Experiment zeigt in allen Arrangements eine signifikante Wahrscheinlichkeit für kostenträchtige Konflikte. Im Fall eines exogenen Schlichtungsvorschlags hat eine zunehmende Ungleichheit des Kräfteverhältnisses keinen signifikanten Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit der Entstehung eines Konflikts. Hier wird der Konflikt häufiger von der Partei ausgelöst, die in einem Konflikt als schwächer einzuordnen ist. Im Fall der endogenen Forderungen nach Ressourcenanteilen steigt die Wahrscheinlichkeit eines Konfliktes dagegen signifikant mit einer stärkeren Ungleichheit des Kräfteverhältnisses. Kommt es hier zu einer friedlichen Lösung, erhält der als schwächer einzuordnende Spieler oftmals fast die gesamte Friedensdividende. Insgesamt zeigt sich, dass exogene Schlichtungsvorschläge zu einer höheren Konfliktwahrscheinlichkeit führen können, wenn das Kräfteverhältnis ausgeglichen ist. Schlichtung wird jedoch wichtig und senkt die Konfliktwahrscheinlichkeit verglichen zu endogenen Forderungen der Konfliktparteien, wenn das Kräfteverhältnis ungleich ist und Koordinationsprobleme sowie strategische Unsicherheit eine Verhandlungslösung erschweren.

*Herbst, L., Konrad, K. A., Morath, F. (2016), "Balance of Power and the Propensity of Conflict", erscheint in Games and Economic Behavior.

Top