Eine zentrale EU-Steuer bringt keine Vorteile gegenüber dem Status Quo

Seit langem ist eine kontroverse Diskussion im Gange über die Finanzierung des EU-Budgets. Die Kritik am derzeitigen System mit nationalen Beiträgen, die sich im Wesentlichen anhand des BIP der Mitgliedstaaten berechnen, lautet: zu viele Ausnahmen, zu komplex, veraltet. Die Unzufriedenheit hat zur Einsetzung einer High Level Group geführt, deren Aufgabe es ist, bis Ende 2016 Empfehlungen vorzulegen, wie die EU transparenter, einfacher, fairer und demokratisch kontrollierbar finanziert werden kann. Unterdessen wird kontinuierlich die Forderung erhoben, eine eigene EU-Steuer anstelle der nationalen Beiträge einzuführen. In einer aktuellen Publikation hat Alfons Weichenrieder, Professor für Öffentliche Finanzen an der Goethe-Universität, zusammen mit Vilen Lipatov, Compass Lexecon Brussels & CESifo, untersucht, unter welchen Bedingungen eine solche Umstellung ökonomisch sinnvoll wäre. 

Die Verteilung der Steuerhoheit ist ein zentrales Thema der Fiscal Federalism Theory. Ein klassisches Argument dabei lautet, Umsatzsteuern und Steuern auf immobile Werte unteren Regierungsebenen zuzuweisen und die eher mobilen Bemessungsgrundlagen auf zentraler Ebene zu besteuern. Auf diese Weise können negative externe Effekte vermieden werden, die entstehen könnten, wenn untere Regierungsebenen mobile Werte besteuern.

Die Vorteile dezentraler Besteuerung

Die analytische Untersuchung zeigt, dass dezentrale Besteuerung einer einheitlichen zentralen Besteuerung für die Finanzierung eines zentralen Budgets überlegen ist, wenn es keine Spillover-Effekte gibt und die Größe des zentralen Budgets vorgegeben ist. Der Grund ist, dass dezentrale Besteuerung regionale Unterschiede in den Verhaltensreaktionen auf die Steuer, unterschiedliche Umverteilungspräferenzen und unterschiedliche Einstellungen zu administrativen Aspekten besser berücksichtigen kann. In einer solchen dezentralen Lösung entscheidet die Zentralregierung über die Höhe der Beiträge, während die Mitgliedstaaten die steuerlichen Instrumente wählen, um ihren Beitrag aufzubringen. Dieser Mechanismus gleicht dem aktuellen System in der EU.

In einem zweiten Schritt berücksichtigen die Autoren Spillover-Effekte der regionalen Steuern in der Analyse und untersuchen den Umfang der Steuer-Koordination, die dadurch erforderlich wird. Das Ergebnis: Ein System mit zentral vorgegebenen regionalen Beiträgen, in dem die Steuern, die die dezentralen Ebenen erheben, koordiniert werden, ist einer zentralen Steuer vorzuziehen, solange die Spillover-Effekte zwischen den Regionen nicht von der intra-regionalen Verteilung der Steuerlast abhängig sind. Gilt diese Restriktion nicht, könnte eine zentrale Steuer überlegen sein, da sie die Spillover-Effekte besser internalisiert als Koordination.

EU budget from 2004 to 2014: revenues from gross national income (GNI)-based resources, VAT-based resources, duties and levies, and other revenues (2004-2012: EU27, 2013-2014: EU28)

Steuerkoordination statt einheitliche Besteuerung

Die Ergebnisse haben interessante Implikationen für die aktuelle Diskussion. Sie legen nahe, dass bei jedem Plan, eine EU-weite Steuer einzuführen, abgewogen werden muss zwischen den Gewinnen aus der Harmonisierung der Steuerbasis und den Verlusten, die daraus entstehen, dass regionalen Präferenzen nicht entsprochen werden kann. Das bedeutet, dass das gegenwärtige System in der EU negative Auswirkungen haben kann, wenn Mitgliedstaaten Steuern erheben, die aus nationaler Perspektive optimal sind, aber suboptimal mit Blick auf eine unionsweite Wohlfahrtsfunktion. In diesem Fall wäre die optimale Reaktion allerdings nicht, die Besteuerung insgesamt zu zentralisieren, sondern die regionale Auswahl an Steuerinstrumenten zu beschneiden. Die Auswahl der Mitgliedstaaten ließe sich auf Steuerbasen beschränken, die die geringsten zwischenstaatlichen Spillover-Effekte haben, sodass die negativen Effekte der dezentralen Besteuerung minimiert würden.

Im Extrem könnte die EU eine einzige Steuerbasis vorschreiben und den Mitgliedstaaten nur noch die Verteilung der Beiträge innerhalb dieser Basis überlassen, so die Autoren. Ein solches Mittel würde immer noch genügend Freiraum bieten, um regionale Präferenzen zu berücksichtigen. Es gibt zum Beispiel verschiedene Möglichkeiten, den gleichen Betrag aus der gleichen Menge an Einkommen zu generieren oder eine Mehrwertsteuer einzuführen, die verschiedene Güter und Dienstleistungen ausnimmt und für andere geringere Raten vorsieht. Anders als eine EU Steuer könnten restriktive Vorgaben mit Bezug auf die Steuerbasis die Effizienz einer dezentralen Lösung nutzen und gleichzeitig zwischenstaatliche negative Effekte eindämmen.

Lipatov, V., Weichenrieder, A. (2016): “A Decentralization Theorem of Taxation”, forthcoming in CESifo Economic Studies

Top