Wie lassen sich die Anlageentscheidungen von Privatpersonen verbessern?

Andreas Hackethal über die Schwierigkeiten, das Investitionsverhalten von Privatanlegern zu verbessern, über die Vorteile von Honorarberatung und die Geschäftsmodelle von „Robo-Advisers“

Andreas Hackethal ist Professor für Personal Finance am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Er beschäftigt sich empirisch mit der Forschung über individuelles Anlageverhalten, Finanzinnovationen und die Rolle von Finanzberatung. Hackethal ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und Mitglied in der Börsensachverständigenkommission, die das Bundesfinanzministerium berät. Er unterhält einen Video-Blog zum Thema Finanzwissen und ist Mitgründer des FinTech Unternehmens vaamo.

Welche Fehler finden Sie am häufigsten, wenn Sie Portfolios von Privatanlegern analysieren?

In einer noch andauernden Untersuchung haben wir uns elf auffällige Anlagefehler angeschaut und herausgefunden, dass drei davon die höchsten Kosten für die rund 5000 Anleger in unserer Stichprobe verursachen. Der erste ist zu viel Handel: Viele Anleger kaufen und verkaufen zu häufig, was immense Transaktionskosten mit sich bringt. Der zweite Fehler besteht darin, dass in kleine, illiquide Aktien – „lottery stocks“ – investiert wird, die hohe Zinsen versprechen, aber letztlich auch das gesamte Investment aufs Spiel setzen. Der dritte und häufigste Fehler ist mangelhafte Diversifikation des Portfolios, was letztlich bedeutet, dass Investoren auf einzelne Unternehmen, Branchen oder Länder wetten und damit Risiken übernehmen, für die sie keine Prämie erhalten. Insgesamt verlieren Privatanleger nach unseren Ergebnissen im Durchschnitt vier Prozent pro Jahr an risikobereinigter Rendite aufgrund von Anlagefehlern (s. Grafik). Das ist eine ganze Menge.

Wie kann man Anlegern helfen, bessere Investitionsentscheidungen zu treffen?

Es gibt mindestens drei mögliche Ansätze. Einer ist Finanzbildung: Man versucht, Menschen die wichtigsten Anlageregeln wie Diversifikation oder Kostendämpfung beizubringen. Allerdings sind den meisten Menschen diese Basisregeln durchaus bekannt und dennoch geben viele der Versuchung nach, zusätzlichen Ertragschancen aufgrund von Empfehlungen, Ideen oder technischen Regeln nachzujagen. Somit scheinen eher mangelnder Wille, den Lehrbuchrezepten zu folgen, oder mangelnde Selbstkontrolle am schlechten Anlageverhalten Schuld zu sein. Entsprechend haben auch viele empirischen Studien gezeigt, dass konventionelle Finanzbildungsprogramme nicht ausreichen, um Verhaltensänderungen zu bewirken.

Eine weitere Möglichkeit ist es, die Auswahlmöglichkeiten für Anleger zu begrenzen. Man könnte Investoren zum Beispiel nur ganz bestimmte Produkte wie etwa Indexfonds (ETFs) anbieten, die grundsätzlich hohe Diversifizierung zu geringen Kosten bieten. Allerdings haben wir in einer jüngeren Veröffentlichung (Bhattacharya et al., 2014) festgestellt, dass Anleger auch bei ETFs dem gleichen fehlerhaften Anlagemuster folgen: Sie handeln mit ETFs, die kleine Indizes abbilden, anstatt die „richtigen“ ETFs zu kaufen und zu halten. Auch für andere Standardinvestitionsangebote, wie etwa die deutsche „Riester-Rente“ gibt es, inzwischen gut bekannte, Vorbehalte.

Die dritte Option ist persönliche Anlageberatung oder automatisierte Investitionssteuerung. In einer früheren Publikation (Bhattacharya et al., 2012) haben wir verschiedene Formen von persönlicher Anlageberatung nach folgenden Fragen untersucht: Wer fragt Beratung nach? Und: Hilft gute Beratung dabei, die Performance eines Portfolios zu verbessern? Wir haben herausgefunden, dass die Anleger, die eine Beratung am nötigsten hätten, sie nicht in Anspruch nehmen. Darüber hinaus setzen diejenigen, die sich beraten lassen, die Empfehlungen nur teilweise um, wodurch sich die Performance ihres Depots nicht verbessert. Das bedeutet, dass gute Beratung eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für besseres Anlageverhalten ist.

Wenn Menschen Empfehlungen nicht folgen, könnte es daran liegen, dass sie dem Berater nicht vertrauen.

Eine Erklärung ist in der Tat, dass Privatanleger befürchten, ihr Berater habe Interessenskonflikte aufgrund von Produktprovisionen oder der Anordnung, bestimmte Produkte zu verkaufen. Diese Befürchtungen wurden genährt durch die Enthüllungen im Nachgang der Finanzkrise. Daher untersuchen wir aktuell, was passiert, wenn Beratung frei von anderen Interessen ist. Wir haben eine Feldstudie durchgeführt mit einer Bank, die neben traditioneller Provisionsberatung eine neue Form der Beratung eingeführt hat, bei der die Berater nach einer Pauschale bezahlt und alle Produktprovisionen an den Kunden zurückerstattet werden. Alles andere blieb gleich: Es handelte sich um dieselben Berater, die dieselbe Produktpalette angeboten haben, dieselben Tools benutzt und die gleichen Kunden beraten haben. Die Rate derjenigen, die sich an den Rat gehalten haben, stieg mit dem neuen Vergütungssystem deutlich von knapp unter 50 Prozent auf mehr als zwei Drittel. Mit positiven Folgen: Wir konnten eine signifikante Steigerung der Diversifikation sowie der Performance der Portfolios beobachten.

Wenn gebührenbasierte Beratung so erfolgreich ist, sollte sie häufiger angeboten werden. Hat der Markt bereits auf diese Erkenntnisse reagiert?

Viele traditionelle Finanzinstitute führen derzeit honorarbasierte Beratungsmodelle ein. Auch sogenannte FinTechs oder Robo-Advisers bringen neue Geschäftsmodelle auf den Markt, bei denen die Bezahlung fast ausschließlich auf Gebühren basiert. Diese Anbieter von automatisierter Anlageberatung stehen vor der gleichen Herausforderung wie Banken: Wie bringt man Leute dazu, den Ratschlägen zu folgen? Sie versuchen, dieses Problem zu lösen, indem sie die Produktauswahl auf vorkonfigurierte, vernünftige Portfolios begrenzen. Ihre Kunden können damit nicht länger aufgrund von individuellen Vorlieben handeln, sondern erhalten automatisch breit diversifizierte Portfolios zu geringen Kosten. Diese neuen Geschäftsmodelle basieren somit auf einem radikal vereinfachten Anlageprozess. Kunden werden nicht mehr verschiedene Produkttypen und Submärkte erklärt, sondern die Komplexität des Entscheidungsprozesses wird auf ein Niveau reduziert, das auch von Kapitalmarktneulingen vollständig verstanden und bewältigt werden kann.

Aber wie können Anleger gute von schlechter Finanzberatung unterscheiden?

In einem Gutachten für das damalige Verbraucherministerium (Hackethal et al., 2011) haben wir dafür plädiert, Finanzinstitute dazu zu verpflichten, Kunden über die Performance ihres Portfolios aufzuklären. Insbesondere sollten die Erträge vor und nach Abzug der Kosten offengelegt werden sowie die Historie des Risikoprofils des Portfolios. Idealerweise würde das Portfoliorisiko dabei mit dem Risiko-Niveau verglichen, das der Anleger ursprünglich gewählt hat. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass Anleger versucht sein könnten, diese Informationen falsch zu interpretieren. Es ist extrem schwierig, gute oder schlechte Anlageentscheidungen von purem Glück oder einem schlechten Marktumfeld zu unterscheiden, und viele Leute tendieren dazu, das eine mit dem anderen zu verwechseln. Insofern könnte zu viel Information Anleger auch verwirren. Meiner Ansicht nach ist „smart disclosure“ sehr wichtig, es müsste aber den Bedürfnissen und Präferenzen der Anleger entsprechend maßgeschneidert und zeitlich abgestimmt sein, um den maximalen Lerneffekt zu erreichen. Welche Art von smart disclosure dem einzelnen Anleger hilft, um sein Verhalten in richtiger Weise anzupassen, ist eine offene Frage, die wir in laufenden Forschungsprojekten bearbeiten.

Quelle: SAFE. Die Fragen stellte Muriel Büsser.


Literatur

Bhattacharya , U., Loos, B., Meyer, S., Hackethal, A. (2014)
Abusing ETFs”,
Kelley School of Business Research Paper No. 2014-46.

Bhattacharya, U., Hackethal, A., Kaesler, S., Loos, B., Meyer, S. (2012)
Is Unbiased Financial Advice to Retail Investors Sufficient? Answers from a Large Field Study”,
The Review of Financial Studies, Vol. 24, Issue 4, pp. 975-1032.

Hackethal, A., Inderst, R., Meyer, S., Rochow, T. (2011)
Messung des Kundennutzens der Anlageberatung“,
Wissenschaftliche Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz.

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