„Suchbegriffe sind wie ein Zauberwort“ - Teil 1

Marketing-Professor Bernd Skiera erklärt wie sich Unternehmen unser Surfverhalten zunutze machen, was ein Werbeplatz bei Google kostet und ob er seine Cookies löscht

Das Internet löst als Werbeplattform nach und nach die klassischen Medien ab. Was hat das Netz, was das Fernsehen nicht hat?

Die Online-Werbung kann viel stärker den einzelnen Verbraucher adressieren als das in klassischen Medien der Fall ist. Im Fernsehen oder in einer Zeitschrift können Sie Ihre Zielgruppe zwar auch meist nach Geschlecht, Alter und Interessen einordnen, aber das bleibt letztlich grob und produziert hohe Streuverluste. Im Internet wissen Sie mehr über den einzelnen Verbraucher und Sie können den Erfolg Ihrer Werbung auch besser messen.

Schön für die Werbetreibenden …

… aber auch für die Verbraucher. Im Grunde treffen sich im Internet die Interessen von beiden Seiten: Als Kunde möchte ich keine Werbung für Produkte sehen, die ich niemals kaufen würde. Und als Werbetreibender will ich nicht in Leute investieren, die als Käufer ohnehin nicht in Frage kommen.

Wie hat sich die Online-Werbung in den letzten Jahren weiterentwickelt? Was wissen werbende Unternehmen heute von mir als Internetnutzer, was sie vor fünf Jahren noch nicht wussten?

Informationen werden im Internet von den meisten Unternehmen über Cookies gesammelt, und die gab es auch schon vor fünf Jahren. Dass heute dennoch mehr und mehr Informationen über den Einzelnen verfügbar sind, liegt einerseits am mobilen Internet. Seit dem Verkauf der ersten Smartphones vor knapp neun Jahren steigt nicht nur die Zahl der mobilen Internetnutzer stetig an, sondern es entstehen auch immer neue Dienste und Nutzungsmöglichkeiten. Damit geben wir heute viel mehr und neue Informationen über uns preis als noch vor wenigen Jahren – und dies auch noch lokalisierbar. Darüber hinaus gibt es heute einige Dienste, die extrem häufig genutzt werden, wie z. B. Google oder Facebook. Eine solch konzentrierte Nutzung gab es vor einigen Jahren noch nicht.

Und die Werbetreibenden haben die neuen Möglichkeiten natürlich dankend angenommen …

Ja und nein. Die Tatsache, dass wir heute täglich mit den verschiedensten Geräten ins Internet gehen, hat für Werbetreibende auch einen großen Nachteil. Um möglichst gezielt werben zu können, muss ich nicht nur wissen, welche Webseiten eine Person besucht, worauf sie klickt, welche Produkte sie sich anschaut und welche Preiskategorie sie interessiert. Entscheidend ist letztlich die Erfolgsmessung: Wenn jemand nach dem Klick auf eine Werbung etwas kauft, möchte ich das nachvollziehen. Das aber fällt schwer, wenn der Nutzer inzwischen das Medium gewechselt hat – was heutzutage ziemlich häufig ist: Eine Werbung erreicht jemanden unterwegs auf dem Handy, und er oder sie reagiert darauf Stunden später am PC mit einem Kauf. Das Nutzerverhalten über die Geräte hinweg ist also schwer nachzuvollziehen.

Wie reagieren die Unternehmen darauf?

Sie versuchen, die Nutzer enger an sich zu binden. Bei einigen Diensten von Unternehmen wie z. B. Google, Facebook oder Instagram sind viele Leute 24 Stunden eingeloggt. Auf diese Weise können die Unternehmen Informationen über ihre Nutzer sammeln und Handlungsketten nachvollziehen, egal mit welchem Gerät diese gerade surfen – und auch, wenn sie regelmäßig Cookies löschen. Dadurch sind Anbieter von Diensten, bei denen Nutzer sich gerne und häufig einloggen, klar im Vorteil.

Etwa die Hälfte der Ausgaben für Onlinewerbung entfällt auf Suchmaschinen, geht also letztlich an Google. Wie haben die das geschafft?

Trotz all der Informationen, die wir durch unser Surfverhalten verraten, ist wenig so wertvoll wie Suchbegriffe. Wenn Sie sich auf einer Internetseite über Kreuzfahrten informieren, kann man zwar daraus schließen, dass Sie sich auch für den Kauf einer Kreuzfahrt interessieren. Man weiß aber noch nicht, welches Preissegment für Sie in Frage kommt und welche Regionen. Wenn Sie aber bei Google die Suchbegriffe „Kreuzfahrt“ und „billig“ oder „Kreuzfahrt“ und „Karibik“ eingeben, dann ist diese Information eben noch einmal deutlich wertvoller – und wird entsprechend bezahlt. Suchbegriffe sind wie ein Zauberwort. Deshalb funktioniert Suchmaschinenmarketing so enorm gut.

Was kostet ein Werbeplatz bei Google?

Um bei einem halbwegs populären Suchwort mit seiner Werbung ganz oben zu stehen, zahlt man in Deutschland für die meisten Branchen zwischen 1 und 2 Euro. Je kleiner und exakter die Zielgruppe, desto mehr wird es. Sehr hohe Preise zahlen zum Beispiel Anwälte in den USA für Suchbegriffe wie seltene Krankheiten gepaart mit Begriffen wie Schadenersatz. Da sich mit Schadenersatzklagen in den USA Unsummen verdienen lassen, ist es Anwälten viel Geld wert, um die wenigen Personen, die da in Frage kommen, durch ihre Werbung als Klienten zu gewinnen. Da kostet eine kleine Werbung pro Seitenaufruf schon mal 100 Dollar oder sogar mehr.

Weiter zu Teil 2 des Interviews →


Dieser Artikel ist in der Ausgabe 2.16 des UniReport erschienen (pdf)

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