Lotterie-Aktien: Glücksspielersatz für Wohlhabende

Studie am Leibniz-Institut SAFE zeigt, dass besonders Vermögende und Gebildete für schnelles Geld und Nervenkitzel auf spekulative Finanztitel setzen, während weniger Vermögende und Gebildete ihr Geld eher zu Online-Wetten tragen

Eine Untersuchung am Leibniz-Institut für Finanzmarktforschung SAFE hat erforscht, ob Personen, die abseits der Börse gerne zocken, auch am Aktienmarkt spekulativ handeln. Die im SAFE Working Paper No. 373 veröffentlichten Ergebnisse zeigen zwar, dass auf und neben der Börse dadurch der gleiche Nervenkitzel befriedigt wird, dass sich aber Spieler:innen bei Online-Wetten und Risikotrader:innen an der Börse in ihrem Bildungsgrad und Vermögen unterscheiden. Da Glücksspiele anders als der Aktienhandel im langfristigen Schnitt Verluste bringen, zeigt das Papier auch einen Kanal auf, wie sich bereits bestehende Vermögensdifferenzen zwischen Gesellschaftsgruppen im Zeitablauf ausweiten können.

"Wer an Sportwetten und Lotterien teilnimmt, geht der Vorliebe fürs Glücksspiel weniger am Aktienmarkt nach. Aktien, die große Gewinne versprechen, aber vor allem große Verluste erzeugen können, finden sich nämlich überwiegend in Portfolios von Personen, die sich nicht auf Glücksspiele oder Sportwetten einlassen", erklärt Ko-Autor Andreas Hackethal, der am Leibniz-Institut SAFE und der Goethe-Universität Frankfurt unter anderem zu Finanzentscheidungen privater Haushalte forscht. Bisherige Studien zeichneten ein anderes Bild. Daher seien objektive, individuelle Daten sehr wichtig, um die Motive für das Handeln mit Finanzinstrumenten bei Privatanleger:innen zu entschlüsseln.

Emily Kormanyos, Andreas Hackethal, beide SAFE und Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Goethe-Universität Frankfurt und Tobin Hanspal von der WU Wirtschaftsuniversität Wien, haben die Daten von mehreren Tausend Bankkund:innen untersucht und deren Transaktionen mit Online-Wettspielportalen und Lotterie-Aktien ausgewertet: "Personen, die Glücksspielen nachgehen, nehmen am Aktienmarkt zwar überdurchschnittliche Risiken in Kauf. Sie kaufen aber deutlich weniger Lotterie-Aktien und Meme-Aktien und spekulieren damit weniger als Risikotrader ohne Glücksspielaktivitäten", folgert Kormanyos, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl Personal Finance der Goethe-Universität Frankfurt.

Aktive Trader:innen setzen mit Lotterie-Aktien auf Risiko

Lotterie-Aktien zeichnen sich durch niedrige Preise und asymmetrisches Risiko aus. Das heißt, es können wie bei einer Lotterie kurzfristig große Gewinne erzielt werden, langfristig ist aber eine negative Rendite viel wahrscheinlicher. Solche Aktien finden sich in der Untersuchung vor allem in den Depots von Personen, die sehr aktiv an der Börse handeln, vermögend sind und ein solides Finanzwissen besitzen - und eben keine Transaktionen mit Online-Wettspielportalen aufwiesen. "Diese Viel-Traderinnen und -Trader gehen zwar hohe Risiken mit Lotterie-Aktien ein, setzen aber nicht alles auf eine Karte, sondern legen den Rest ihres Portfolios solide an. Dadurch ergibt sich unterm Strich sogar ein positives Bild für die zu erwartende Rendite", so Hanspal, Assistant Professor of Finance an der WU Wirtschaftsuniversität Wien.

Bei mehr als 12.000 Kund:innen konnte das Forschungsteam Transaktionen mit Online-Wettspielportalen als auch ein Wertpapierdepot feststellen. Im Anlageverhalten dieser Gruppe fanden sich zwar weniger Lotterie-Aktien, aber dafür häufiger die typischen Anlagefehler wie mangelnde Streuung, was unterdurchschnittliche Renditeerwartungen nach sich zog. Spieler:innen bei Online-Wetten verhalten sich auf den Wertpapiermärkten ähnlich wie Anleger:innen mit geringem Finanzwissen.

Diese Erkenntnisse erweitern die Forschung zu individuellen Anlagemotiven und sind angesichts aktueller Trends wichtig: Der leichtere Zugang zu Börsen über Trading-Apps oder die Einflussnahme auf Kursentwicklungen über soziale Netzwerke scheinen das "Zocken" Unerfahrener am Aktienmarkt nicht zu befeuern. Vielmehr nutzen wohlhabende und erfahrenere Anleger:innen Lotterie-Aktien für den gleichen Kick, den Glücksspieler:innen schon länger bei Online-Wetten oder am Casino-Tisch erwarten.

Download des SAFE Working Paper No. 373

SAFE Working Paper No. 373 wurde in einem Artikel der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vorgestellt: "Das große Zocken".

Quelle: https://safe-frankfurt.de/de/aktuelles/alle-news/einzelansicht/lotterie-aktien-gluecksspielersatz-fuer-wohlhabende.html

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