Studie: Versteckte Zusatzkosten beim Konto und die Fallstricke von Verbraucheraufklärung

Michael Kosfeld und Ulrich Schüwer analysieren Preisdiskriminierungs-Strategien im Privatkundengeschäft von Banken sowie die Effekte von Aufklärungskampagnen

Vielen Verbrauchern sind die Gesamtkosten von gekauften Produkten unklar – eine Schwäche, die Unternehmen höchstwahrscheinlich ausnutzen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Bankgeschäft, wo es einerseits einen intensiven Wettbewerb um Kunden gibt bei der Eröffnung eines Bankkontos, anderseits aber vielfältige Möglichkeiten im Anschluss, um naiven Kunden hohe Überziehungszinsen zu berechnen oder hochpreisige Anlageprodukte zu verkaufen. Finanzbildung gilt hier meist als einfaches und effektives Mittel, um Nachteile für naive Verbraucher zu verhindern, mit rein positiven Effekten für den Verbraucherschutz und die allgemeine Wohlfahrt. Michael Kosfeld und Ulrich Schüwer zeigen jedoch in einem aktuellen Forschungspapier, das in der Review of Finance erscheinen wird, dass die Gesamteffekte von Verbraucheraufklärung komplexer sind, wenn Banken naive Kunden gegenüber aufgeklärten Kunden diskriminieren können.

Eine gleichgewichtige Preisstrategie von Unternehmen in einem Markt mit ausreichend naiven Konsumenten ist es, nur auf Grundlage des Basisgutes (Bankkonto) zu konkurrieren und die Kosten von Zusatzangeboten (Überziehung, Anlageprodukte) im Unklaren zu lassen. Während der Preis für das Basisgut unter den Grenzkosten kalkuliert wird, liegt der Preis für die Zusatzprodukte darüber. Für die Verbraucher resultieren daraus zwei Folgen: Zum einen werden aufgeklärte Kunden rational erwarten, dass die Zusatzprodukte eher teuer sind, und nach Alternativen suchen. Dies führt zu geringeren Unternehmenserträgen und Ineffizienz, wenn die Substitutionskosten über den Produktionskosten der Bank liegen. Zum anderen werden naive Kunden, die die Zusatzangebote zum hohen Preis kaufen, das günstige Basisgut und damit auch die aufgeklärten Konsumenten subventionieren.

Damit stellt sich die Frage, ob und wie ein Regulierer eingreifen könnte, um Konsumenten bei ihren Entscheidungen zu schützen und die allgemeine Wohlfahrt zu erhöhen. Ein naheliegender Schluss wäre, dass effektive Verbraucheraufklärung, mit der es gelingt, viele naive Konsumenten aufzuklären, zu effizienten Marktergebnissen führt und nur positive Effekte auf Verbraucherschutz und Wohlfahrt hat.

Preisdiskriminierung als optimale Strategie

Diesen Zusammenhang untersuchen die Autoren in einer theoretischen Analyse. In ihrem Modell können Banken zwischen drei Preisstrategien wählen: (a) hohe versteckte Zusatzkosten für alle Konsumenten, (b) geringe offene Zusatzkosten für alle Konsumenten oder (c) hohe versteckte Zusatzkosten für naive Konsumenten und geringe offene Zusatzkosten für aufgeklärte Verbraucher. Voraussetzung dafür ist, dass Banken nach dem Kauf des Basisgutes Informationen von neuen Kunden in Bezug auf ihren Aufklärungsstand sammeln und auswerten.

Ein erstes Ergebnis des Modells: Preisdiskriminierung führt zu einem symmetrischen Wettbewerbsgleichgewicht, wenn Banken ihre Kunden relativ gut klassifizieren können und der Anteil von naiven Kunden weder sehr klein noch sehr groß ist. Ist er sehr klein, würden Banken die Preise für alle Konsumenten offenlegen; ist er sehr groß, würden sie sie für alle verschleiern. Das bedeutet, dass es in umkämpften Märkten nur sehr selten zu vollständig offengelegten Preisen kommt, dem sozial wünschenswertesten Ergebnis.

Vor dem Hintergrund der jüngsten technologischen Entwicklungen („Big Data“), die die Möglichkeiten zur Kunden-Klassifizierung und Preisdiskriminierung sowohl vereinfachen als auch vorantreiben, folgt aus diesem Resultat, dass es weniger relevant ist, wie sich Kundenkosten und Wohlfahrt verändern, wenn man Unternehmen in ein Gleichgewicht treibt, in dem sie die Preise für alle Kunden offenlegen (denn das ist sehr unwahrscheinlich), sondern wie sich die Ergebnisse verändern in einem Gleichgewicht, in dem Firmen zwischen naiven und aufgeklärten Verbrauchern diskriminieren.

Nachteile der Verbraucheraufklärung

Mit Blick auf eine Aufklärungskampagne kommen die Autoren zu dem überraschenden Ergebnis, dass eine Aufklärung eines Teils der Konsumenten zu versteckten Kosten für die anderen Verbraucher führen würde, was höhere Preise und eine Verringerung der allgemeinen Wohlfahrt mit sich brächte. Diese negativen Effekte resultieren aus den Substitutionseffekten der bereits zuvor sowie der neu aufgeklärten Verbraucher sowie der strategischen Preisreaktionen der Banken. Denn geht man davon aus, dass der Anteil naiver Kunden bei mehr als einem Drittel liegt und es durch Verbraucheraufklärung gelänge, 40% dieser naiven Konsumenten aufzuklären, würde dies zwar die Kosten für diese Gruppe reduzieren, dafür aber die Kosten für die weiterhin naiven Kunden sowie für die bereits zuvor aufgeklärten Kunden erhöhen.

Die Analyse legt damit nahe, dass politische Entscheider das Verhalten von Konsumenten und Banken sorgfältig untersuchen sollten, bevor sie die scheinbar harmlose Intervention der Verbraucheraufklärung umsetzen. Es wäre eventuell sinnvoll, nicht zu schnell oder nicht ausschließlich auf Verbraucheraufklärung zu setzen, um Verbraucherschutzprobleme oder ineffiziente Information und Preisstrategien von Banken zu lösen. Verbraucheraufklärung ist kein Allheilmittel.


Das Forschungspapier erscheint in der Review of Finance und ist als SAFE Working Paper No. 47 verfügbar.

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