Nachruf für Professor em. Dr. Reinhard Hujer

6. September 1940  13. August 2020

Am 13. August 2020 verstarb Reinhard Hujer im Alter von 79 Jahren. Er war von 1980 bis 2005 Professor für Statistik und Ökonometrie an der Goethe-Universität, zunächst im seinerzeit neu gegründeten Fachbereich Ökonomie und nach dessen Fusion mit dem Fachbereich Wirtschaftswissenschaften im Jahr 1982 dann in letzterem.

Geboren wurde Reinhard Hujer 1940 in Reichenbach (Sudetenland). Die Eltern flohen in den Wirren des Zweiten Weltkrieges nach Darmstadt, wo die Familie ihre neue Heimat fand. Reinhard Hujer studierte an der Technischen Hochschule Darmstadt Wirtschaftsingenieurwesen. Früh fühlte er sich zur Volkswirtschaftslehre, insbesondere zur empirischen Forschung, hingezogen. Nach der Promotion 1970 und der Habilitation 1973 wurde er 1974 an der Darmstädter Hochschule zum Professor für Statistik und Ökonometrie ernannt. 1980 folgte er schließlich einem Ruf an die Goethe-Universität.

Mit seiner Berufung wurde er auch Mitglied im DFG-Sonderforschungsbereich 3 (Sfb 3) „Mikroanalytische Grundlagen der Gesellschaftspolitik“ und übernahm die Leitung des Projekts „Makrosimulation“, dessen Ziel es war, die gesamtwirtschaftlichen Effekte sozialpolitischer Maßnahmen für eine mittlere Frist abzuschätzen. In den Folgejahren wechselte sich Reinhard Hujer als Sprecher des Sfb 3 mit Richard Hauser, der den Frankfurter Lehrstuhl für Sozialpolitik innehatte, und Wolfgang Zapf von der Universität Mannheim ab. Mit der Entwicklung des „Sozio-ökonomischen Panels“ gelang dem Sfb 3 eine bahnbrechende Innovation für die sozialwissenschaftliche Forschung. Hier hat Reinhard Hujer Pionierarbeit in der Paneldatenanalyse geleistet, vor allem bei der Anwendung und Entwicklung mikroökonometrischer Verfahren. Seine Forschungsschwerpunkte verlagerten sich im Anschluss daran zu Arbeitsmarktfragen, später kam als politikrelevantes Forschungsgebiet die Evaluationsforschung hinzu. Hierzu leitete Reinhard Hujer ein von der DFG gefördertes Projekt, im Rahmen dessen er die Zusammenarbeit mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung begann. Ziel war es, die Beschäftigungswirkungen von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zu evaluieren.

Jenseits dessen war Reinhard Hujer Research Fellow am Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim und am Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn, Mitglied im Editorial Board der Zeitschrift für Arbeitsmarkforschung sowie Vorsitzender des Advisory Board des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg. Darüber hinaus bekleidete er 1986 und 1989 eine Gastprofessur an der Stanford University, außerdem übernahm er in den Jahren 1988 und 1989 das Amt des Dekans im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften an der Goethe-Universität.

Nach seiner Emeritierung leitete er zehn Jahre den Ausschuss zur Entwicklung des „Frankfurter Modells der W-Besoldung“ und blieb auch durch diese Aktivität der Goethe-Universität verbunden. Im Oktober 2017 wurde er anlässlich des ersten universitätsweiten „Stiftertags“ für seine Verdienste um die Frankfurter Hochschule mit der universitären Ehrenmedaille ausgezeichnet.

Der Fachbereich Wirtschaftswissenschaften trauert um einen sehr verdienstvollen Emeritus, der in seinen Forschungsfeldern über Jahrzehnte hinweg eine Vielzahl richtungsweisender Impulse gesetzt und das Verständnis unter anderem für die Bedeutung wirtschaftswissenschaftlicher Aspekte im Kontext sozialpolitischer Fragestellungen entscheidend erweitert hat.

Prof. Dr. Volker Caspari, Seniorprofessor für Volkswirtschaftslehre an der Goethe-Universität

 

 

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