“Gut konzipierte Garantien und Flexibilität machen Beitragszusage-Modelle als Altersvorsorge attraktiver“

Raimond Maurer über ein Finanzprodukt, das optimale Anreize zur Altersvorsorge setzt

Raimond Maurer ist Professor für Investment, Portfolio Management und Alterssicherung an der Goethe-Universität Frankfurt. Er erwarb Habilitation, Promotion sowie ein Diplom in Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mannheim. Maurer verfügt über vielfältige Erfahrung als Berater für Politik und Industrie (z.B. für die Weltbank, die Europäische Zentralbank, die Fed, das Ministerium für Soziales in Baden-Württemberg) und hält eine Ehrendoktorwürde der Universität St. Petersburg.

 

Mit welchen Forschungsfragen beschäftigen Sie sich derzeit?

Hauptsächlich forsche ich zurzeit zum Thema Sicherung des Ruhestandseinkommens. Vor dem Hintergrund, dass weltweit gesetzliche Alterssicherungssysteme durch privat finanzierte Vorsorgeprodukte ergänzt werden, konzentrieren wir uns auf zwei Kernfragen: Wie können staatliche Alterssicherungssysteme verbessert werden und welche Produkte eignen sich für die private Vorsorge? Wir interessieren uns außerdem dafür, wie aus Sicht eines individuellen Investors die optimale Kombination aus diesen beiden Vorsorgesystemen aussieht.


Eine zentrale Herausforderung dabei ist es, die Bürger dazu zu motivieren, Rückstellungen für das Alter zu bilden. In einer Ihrer aktuellen Publikationen untersuchen Sie ein relativ neues Produkt, das sich in dieser Hinsicht als sehr erfolgreich erweist.

Viele Menschen schrecken davor zurück, in Altersvorsorgeprodukte mit Beitragszusagen zu investieren – auch wenn sie wissen, wie wichtig das ist, – weil das Thema so kompliziert ist und eine Investition in Aktien riskant. Aus Angst vor Fehlern machen viele Haushalte gar nichts. Eine Möglichkeit, dieses Problem anzugehen, ist es, das Vertrauen der Menschen in diese Produkte zu erhöhen, indem man ihnen angemessene Garantien anbietet. Ein Beispiel ist eine Geld-Zurück-Garantie in der Ansparphase, etwa in dem Sinne einer Vermögensversicherung gegen Verluste durch Kapitalmarktschocks, oder eine lebenslange Einkommensgarantie als Langlebigkeitsabsicherung in der Auszahlphase. Das sind die Hauptmerkmale der anlagegebundenen Altersvorsorgeprodukte, die wir in unserer Studie untersuchen (Horneff et al. 2015).


Zu welchem Ergebnis kommen Sie?

Wir untersuchen in einem realistisch kalibrierten Konsum- und Portfolioentscheidungsmodell über den Lebenszyklus, in welchem Ausmaß Haushalte von den oben beschriebenen Garantien profitieren. Wir betrachten ein Altersvorsorgeprodukt, das eine angemessene Balance zwischen gut konzipierten Rendite- und Einkommensgarantien sowie einem ausreichenden Wertsteigerungspotenzial, basierend auf einem diversifizierten Aktienportfolio, bietet. Das Produkt sieht eine Anfangsinvestition sowie weitere jährliche Beiträge vor. Zusätzlich zu den Garantien können Investoren während der gesamten Ansparphase auf Teile ihrer Anlagen zurückgreifen. Die meisten werden diese Flexibilität nicht nutzen, die natürlich (wie auch die Garantien) einen gewissen Preis hat. Aber sie bietet eine Art Versicherung gegen unvorhersehbare Einkommensschocks und hilft, etwa bei Arbeitslosigkeit, den Konsumbedarf zu decken. Dieses Merkmal macht es für Menschen einfacher, sich an ein solch langfristiges Vorsorgeprodukt zu binden. Nach dem Renteneintritt können die Investoren das angesparte Geld frei verwenden. Sie können sich alles auf einmal auszahlen lassen oder nur einen Teil. Alternativ können sie auch die gesamte Summe oder einen Teil in eine lebenslange Rente umwandeln.


Welchen Anteil ihrer Ersparnisse sollten Haushalte in diese Art von Produkt investieren?

Wir untersuchen die optimale Vermögensverteilung in einem Portfolio aus Aktien, Anleihen und investitionsgebundenen Renten. Natürlich hängt die optimale Verteilung von Faktoren wie Vermögen, Höhe und Risiko des Arbeitseinkommens, Alter sowie der allgemeinen wirtschaftlichen Situation an den Kapitalmärkten (Zinssätze, Volatilität) ab. Ein Beispiel: Eine durchschnittlich verdienende 40-Jährige, ledig und ohne Kinder, Hochschulabschluss, mit mittlerer Risikoaversion und einem Anfangsvermögen von 120.000 US-Dollar sollte rund 30% ihrer Ersparnisse in ein solches Vorsorgeprodukt investieren und den Rest in eine Kombination aus liquiden Aktien und Anleihen. Dieser Anteil sollte erhöht werden je näher sie dem Renteneintrittsalter kommt.

Im Alter von 65 Jahren würde sie sich einen Teil ihres angesparten Vermögens auszahlen lassen und den Rest in eine lebenslange Rente umwandeln. In einem alternativen Setting untersuchen wir den Fall, dass sie Teile des angesparten Ruhestandsvermögens in eine Langlebigkeitsrente umwandeln kann, bei der die Auszahlung im Alter von 85 Jahren beginnt. Diese Variante erhöht ihr Einkommen zu einem Zeitpunkt, wenn sie wahrscheinlich den Großteil ihrer Ersparnisse aufgebraucht hat und definitiv nicht mehr in der Lage ist zu arbeiten. Wir haben festgestellt, dass diese Art der Absicherung dagegen, länger als der Durchschnitt zu leben, relativ günstig ist, da die Risiken gepoolt werden können.


Ist es möglich, die Vorteile für die Halter dieser Produkte zu bemessen?

Wir haben den Wohlfahrtsgewinn für Personen mit und ohne dieses Produkt über den Lebenszyklus hinweg untersucht, wobei wir von einem durchschnittlichen Einkommens- und Zinsrisiko ausgehen. Die Abbildung zeigt die Unterschiede in den Konsummöglichkeiten zwischen den beiden Szenarien. Die roten Balken zeigen die Konsumgewinne über den Lebenszyklus für das gesamte Sample. Wie man sieht, sind die Gewinne in der Ansparphase gering, aber im Rentenalter werden sie durchaus beträchtlich. Die blauen Balken zeigen die Konsumgewinne für Haushalte, die ohne dieses Produkt entsprechend ihrer Konsummöglichkeiten zu den untersten 5% gehören. Das sind Menschen, die von Arbeitslosigkeit, Börsencrashs und allen denkbaren Unglücken betroffen sind. Wie die Abbildung zeigt, profitieren gerade diese Pechvögel enorm von den Einkommens- und Renditegarantien. Auch hier sind die relativen Konsumgewinne am größten nach dem Renteneintritt. Insgesamt haben wir errechnet, dass anlagegebundene Altersvorsorgeprodukte mit einer Einkommens- und Geld-Zurück-Garantie die Wohlfahrt einer Person über den gesamten Lebenszyklus um rund 6,5% erhöhen.

Unterschiede im durchschnittlichen Konsum in einer Welt mit Zugang zu investitionsgebundenen Altersvorsorgeprodukten mit Einkommens- und Geld-Zurück-Garantien verglichen mit einer Welt ohne diese Produkte


Sollte man angesichts dieser positiven Effekte über Politikmaßnahmen nachdenken, die Haushalten einen Anreiz bieten, in diese Produkte zu investieren?

In den USA gibt es tatsächlich aktuell eine Reform, die Personen, die angespartes Vermögen auf individuellen Rentenkonten haben (sogenannte 401(k)-Pläne), animieren soll, Langlebigkeitsrenten zu kaufen. In Deutschland haben wir die Riester-Rente, die ebenfalls eine Geld-Zurück-Garantie in der Ansparphase vorsieht und ein gewisses Maß an Flexibilität nach dem Renteneintritt erlaubt, nämlich 30% des Anlagevermögens auf einmal zu entnehmen. Außerdem wurde im Rahmen der Riester-Rente zum ersten Mal eine Langlebigkeitsrente ab einem Alter von 85 Jahren angeboten, was eine Pionierleistung auf diesem Gebiet war. Allerdings gibt es in diesem Bereich in Deutschland im Gegensatz zu den USA zu detaillierte Vorschriften, was die Industrie davon abhält, Rentenprodukte mit einem Maß an Flexibilität anzubieten, das diese Produkte gerade für junge Leute attraktiv machen würde. Wichtig ist, dass die Rendite- und Einkommensgarantien bei Altersvorsorgeprodukten nicht zu hoch sind. Beitragszusage-Produkte mit zu hohen Garantien mutieren sonst zu Leistungszusage-Produkten und wir wissen, dass das sehr teuer werden kann.


Ausgewählte Publikationen von Raimond Maurer

Horneff, V., Maurer, R., Mitchell, O. S., Rogalla, R. (2015)
"Optimal Life Cycle Portfolio Choice with Variable Annuities Offering Liquidity and Investment Downside Protection",
forthcoming in Insurance: Mathematics and Economics.

Horneff, V., Kaschützke, B., Maurer, R., Rogalla, R. (2014)
"Welfare Implications of Product Choice Regulation during the Payout Phase of Funded Pensions",
Journal of Pension Economics and Finance, Vol. 13, Issue 3, pp. 272-296.

Hubener, A., Maurer, R., Rogalla, R. (2014)
"Optimal Portfolio Choice with Annuities and Life Insurance for Retired Couples",
Review of Finance, Vol. 18, Issue 1, pp. 147-188.

Maurer, R., Mitchell, O. S., Rogalla, R., Kartashov, V. (2013)
"Lifecycle Portfolio Choice With Systematic Longevity Risk and Variable Investment-linked Deferred Annuities",
Journal of Risk and Insurance, Vol 80, Issue 3, pp. 649-676.

Chai, J., Horneff, W. J., Maurer, R., Mitchell, O. S. (2011)
"Optimal Portfolio Choice over the Life-Cycle with Flexible Work, Endogenous Retirement, and Lifetime Payouts",
Review of Finance, Vol. 15, Issue 4, pp. 875-907.

Horneff, W. J., Maurer, R., Rogalla, R. (2010)
"Dynamic Portfolio Choice with Deferred Annuities",
Journal of Banking and Finance, Vol 34, Issue 11, pp. 2652-2664.


Dieses Interview ist auch im SAFE Newsletter Q2 2015 erschienen.

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