16.05.25 | Allgemein

Rüdiger Weber, Finanzwissenschaftler

Auf einmal wird es ganz einfach: Seit einem halben Jahr hat Rüdiger Weber am Fachbereich Wirtschaftswissenschaften die Stiftungsprofessur „Alternative Investments“ inne, vertritt an der Goethe-Universität demnach das Fach „Finance“ (Finanzwesen), und im Interview hat er seine Gesprächspartnerin vor lauter ,Public Equity‘, ,Private Equity‘, ,Optionen‘, ,Futures‘, ,Forwards‘, ,Asset Pricing‘, ,Venture Capital‘, ,Aggregat‘ … nahezu schwindlig geredet.

Jetzt erläutert er, was er unter der ,Aggregation von Vermögenswerten‘ versteht: „Stellen wir uns vor, Adam und Eva sind im Paradies und bekommen jeden Tag entweder einen oder zwei Äpfel; sie wissen im Voraus aber nicht, wie viele Äpfel es sind. In dieser Ungewissheit besteht also ihr Risiko. Irgendwann fällt ihnen aber auf, dass immer dann, wenn Adam zwei Äpfel bekommt, Eva nur einen Apfel erhält – und umgekehrt.“ Wenn die beiden sich also zu einem Aggregat zusammenschlössen und die ,Apfelernte‘ untereinander aufteilten, bekämen sie pro Tag drei Äpfel, sagt Weber – und weil Adam und Eva sich gegenseitig durch ihr Teilen versicherten (gegen ,Apfelknappheit‘), bestehe dann für die beiden kein Risiko mehr.

Zwar betrachtet der Volkswirt Weber eine Marktwirtschaft, die doch um einiges komplexer ist als die Zwei-Personen-Ökonomie im Garten Eden. Dennoch setzt er voraus, dass die Wirtschaft, die er untersucht, sich in einem allgemeinen Gleichgewicht befindet: Das soll nicht etwa bedeuten, dass sich hier die Preise nicht verändern, sondern dass sich die Preisentwicklung immer auf Vorgänge in der Gesellschaft zurückführen lässt – die Preise sind endogen bestimmt und spiegeln Umwelteinflüsse wie Naturkatastrophen und Kriege ebenso wie menschliches Verhalten wider.

Klassische und alternative Investments
Webers wirtschaftswissenschaftliche Heimat ist die Bewertung von Vermögenswerten: Er hat sich beispielsweise gefragt, warum Aktien in einer Rezession im Allgemeinen fallen, oder warum die Renditen von Aktien im Mittel höher sind als die von Anleihen. Und inzwischen beschäftigt er sich auch mit alternativen Investments und erläutert: „Das Eigenkapital von ,klassischen Investments‘ wird in Form von Aktien an der Börse gehandelt und als ,Public Equity‘ bezeichnet. Das Kapital eines ,alternativen Investments‘ ist hingegen nicht auf viele Investoren verteilt; in diesem Fall sprechen wir von ,Private Equity‘.“

Weber beschreibt das Vorgehen eines Private-Equity-Unternehmens: „Es kauft ein nicht-börsengehandeltes Unternehmen mit dem Anspruch, dessen Geschäftsergebnis zu verbessern, sagen wir beispielsweise einen Schuh-Hersteller.“ Den behalte das Private-Equity-Unternehmen dann typischerweise einige Jahre und versuche während dieser Zeit, den Schuh-Hersteller umzustrukturieren, seine Produktpalette zu optimieren oder das Management ,auf Zack zu bringen‘, indem es verlange, dass die Manager sich mit ihrem eigenen Vermögen an dem Schuh-Hersteller beteiligten.

Um das Handeln von Unternehmen und dessen finanzielle Auswirkungen zu untersuchen, geht Weber überwiegend empirisch vor: „Ich analysiere Daten zu Preisen und Renditen von Wertpapieren, zu Zahlungsströmen und so weiter. Gesammelt und digitalisiert wurden die Daten von anderen – sei es von kommerziellen Anbietern, sei es von Regulierungsbehörden oder sonstigen staatlichen Institutionen.“ Anhand von schon bestehenden, manchmal von ihm an konkrete Situationen angepassten Modellen überprüft er dann mit Mitteln der Statistik, ob die Zusammenhänge so sind, wie es die Wirtschaftstheorie voraussagt.

„Unglaublich vielfältige Forschung“
Dabei werde ihm immer wieder bewusst, wie sehr ihn seine Forschung fasziniere: „Mir geht es ja um die Preise von Vermögenswerten – die spiegeln die Präferenzen der Menschen wider, die mit diesen Vermögenswerten handeln, sie spiegeln wider, wie die Gesellschaften funktionieren, in denen der Handel getrieben wird und so weiter.“ Darin setze sich fort, was er schon zu Beginn seines eigenen Studiums gespürt habe, schwärmt Weber, „dass in VWL so unglaublich viel drinsteckt, letztlich alles, was mit menschlichem Verhalten zu tun hat … fast könnte man sagen, VWL erklärt, wie die Welt funktioniert“.

Mit seiner Forschung will Weber beschreiben und erklären, wie die Welt funktioniert, und einem wichtigen beschreibenden Aspekt will er sich in den kommenden Monaten und Jahren zuwenden – der ,Risikoteilung zwischen heterogenen Agenten‘: „Stellen wir uns dazu nochmal Adam und Eva im Paradies vor“, erläutert er, „angenommen, sie haben zusätzlich zu der stabilen Apfelernte zwei Birnbäume, die eine zufällige Gesamtanzahl von Birnen trägt. Wenn Adam risikoscheuer ist als Eva, wird er ihr gerne das Recht auf eine größere Anzahl von Birnen einräumen, wenn ihm dafür eine feste Menge an Birnen zusteht. Wenn Eva nun eine Birnenallergie entwickelt, hat sie kein Interesse mehr an den Birnen, und der Wert von Birnen und Birnbäumen verfällt drastisch.“

Bevor Rüdiger Weber sich ganz auf sein VWL-Studium konzentrierte, um etwas drüber zu erfahren, wie die Welt funktioniert, war er in seinem ersten Hochschulsemester noch für das Zweitfach Skandinavistik eingeschrieben. Inzwischen hat er begonnen, seine Sympathie für die nordischen Länder an die nächste Generation weiterzugeben: Seine zweijährige Tochter ist begeistert, wenn er ihr aus dem schwedischen Bilderbuchklassiker „Hänschen im Blaubeerenwald“ vorliest.

Quelle: Uni-Report der Goethe-Universität
Bild: Jürgen Lecher