Nachruf für Prof. em. Dr. Norbert Andel
* 22. November 1935 † 2. November 2022
Norbert Andel wurde am 22. November 1935 in Peine geboren. Er studierte in Frankfurt am Main und promovierte anschließend auch an der Goethe-Universität bei Fritz Neumark zu Problemen der Staatsschuldentilgung. Seine Habilitationsschrift aus dem Jahr 1968 behandelte Subventionen als staatliche Instrumente.
Norbert Andel erhielt 1970 bereits in vergleichsweise jungem Alter und in einem politisch bewegten Umfeld einen Ruf als Professor an die TU Berlin. Es folgten weitere Rufe und Stationen in Gießen und Saarbrücken, bevor er 1987 an die Goethe-Universität Frankfurt zurückkehrte. Dort übernahm er die Professur seines einstigen akademischen Lehrers Fritz Neumark und vertrat diese bis zu seiner eigenen Emeritierung im Jahre 2001. Daneben verbrachte Norbert Andel Gastaufenthalte am Massachusetts Institute of Technology und beim Internationalen Währungsfonds. 1994 und 1995 diente er der Frankfurter Fakultät für Wirtschaftswissenschaften als Dekan.
Die akademischen Arbeiten von Norbert Andel waren inspiriert von konkreten wirtschaftspolitischen Problemen, die er mit ausgeprägtem institutionellem Wissen und hervorragender ökonomischer Intuition behandelte. Eine starke oder gar überzogene Mathematisierung der Volkswirtschaftslehre war den von ihm publizierten Aufsätzen fremd. Beispielhaft für seine Forschung war seine Analyse der Ertragswertbesteuerung der gesetzlichen Renten, die er in der damaligen Form kritisierte. Später musste hier die Besteuerung in der Tat nach einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts geändert werden.
In vielen Bereichen fungierte Norbert Andel als ein weithin sichtbarer Vertreter der Goethe-Universität in der deutschen Wissenschaftsszene. Von 1988 bis 2000 gehörte er dem Sozialbeirat der Bundesregierung an. Als Politikberater war er geradlinig und ließ sich nicht verbiegen; Politiker auf der Suche nach Gefälligkeitsgutachten wurden bei ihm nicht fündig. Seine Arbeit für den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesfinanzministerium lag ihm genauso am Herzen wie die langjährige federführende Herausgeberschaft des Finanzarchivs, der wohl international ältesten Zeitschrift für Finanzwissenschaft. Obwohl Norbert Andel selbst vornehmlich in deutscher Sprache publizierte, erkannte er die Zeichen der Zeit und förderte den Übergang des hauptsächlich deutschsprachigen Finanzarchivs zu einem rein englischsprachigen Wissenschaftsjournal.
Als Mitherausgeber des Handbuchs der Finanzwissenschaft war er an der Herausbildung des finanzwissenschaftlichen Wissenskanons ebenso beteiligt wie durch sein Lehrbuch Finanzwissenschaft, das zuletzt 1998 in vierter Auflage erschien. In den Jahren 1998 bis 2001 bekleidete er den Vorsitz des Finanzwissenschaftlichen Ausschusses des Vereins für Socialpolitik, was seine allseits geachtete Stellung innerhalb der deutschen Finanzwissenschaft zusätzlich dokumentiert.
In der Lehre war Andel sehr engagiert, sein Vortrag in der Formulierung druckreif. Für jene Kolleginnen und Kollegen, für die die Lehre nach seinem Eindruck nur Last war, hatte er wenig Verständnis. Gleichzeitig stellte er an die Studierenden seiner Veranstaltungen stets hohe Anforderungen. Man konnte viel bei ihm lernen, Noteninflation war aber seine Sache nicht.
Privat hatte es ihm der Rheingau angetan. Dort konnte er seine Lust am Wandern ausleben und seinem Hobby als Weinkenner nachgehen.
Nach seiner Emeritierung im Jahre 2001 führte Norbert Andel ein zurückgezogenes Leben. Sehr bewusst traf er die Entscheidung, mit der Emeritierung auch von allen Herausgeberschaften und übernommenen Ämtern zurückzutreten und die vielfältige Verantwortung in neue, jüngere Hände zu übergeben.
Norbert Andel verstarb am 2. November 2022 kurz vor seinem 87. Geburtstag.
Prof. Dr. Alfons Weichenrieder
Professur für Volkswirtschaftslehre, insbesondere Finanzwissenschaft
Goethe-Universität Frankfurt